Telefonterror
Wütend pfefferte eine noch blutjunge Q ein altmodisches Telefon mit voller Wucht an die nächste Wand. „DIESER JULIAN!! WARUM MACHT ER DAS IMMER WIEDER MIT MIR?! DAS KANN DOCH WOHL NICHT WAHR SEIN!”, schimpfte sie lautstark vor sich hin, während sie wie ein aufgescheuchtes Huhn im Zimmer auf und ab lief. Dem Telefon flog gleich ein Buch hinterher. In diesem Moment betrat ihr Ehemann den Raum. „Jenny? Was ist denn los? Was ist passiert? Warum bist du so wütend?” Schnellen Schrittes durchquerte er den Raum und nahm seine Frau in die Arme. „Ach… Julian hat mich mal wieder geärgert. Immer, wenn ich ihm zwei Fragen in einer gestellt habe, hat er nur mit „Ja” oder „Nein” geantwortet, so dass ich am Ende überhaupt nicht mehr wusste, worauf sich die Antwort bezog und dabei hat er sich auch noch köstlich amüsiert.” Q war erleichtert. Also war es nichts Ernstes. Er hatte Mühe, nicht loszulachen und sagte stattdessen: „Äh… Jenny? Wie lange kennst du Julian jetzt schon?” Verdutzt sah Jenny ihn an. „Na ja….etwas mehr als 200 Jahre..?” Jetzt fing Q doch an zu grinsen. „Wie? Und dann fällst du immer noch darauf rein? Du weißt doch, wie gerne er dich auf den Arm nimmt!” Jenny senkte den Kopf. Genau das war ihre Schwachstelle. Sie mochte jetzt eine Q sein und mittlerweile über 240 Jahre alt, aber gewisse Dinge änderten sich eben nie.
Als sich Jenny gerade halbwegs wieder beruhigt hatte, zuckte sie zusammen. „JENNY!!! KOMM SOFORT HER!!”, dröhnte es in ihrem Kopf. „Was ist?”, fragte Q alarmiert. Jenny hielt sich den Kopf. „Oh weia, das war Julian, da ist irgendwas passiert.” Q nickte: „In Ordnung, ich bringe die Kleine zu den Zwillingen, dann sehen wir nach dem Rechten.” Wie schon oft, saß Julian wieder einmal über einem Artikel. Doch irgendwie wollten ihm heute nicht die richtigen Sätze einfallen. Er konnte sich einfach nicht richtig konzentrieren. Schließlich gab er auf und lehnte sich zurück. Er dachte an das Gespräch, das er noch vor wenigen Minuten mit Jenny geführt hatte. Dabei musste er dann doch lächeln. Es machte ihm richtig Spaß, sie zu ärgern, sie konnte sich so wunderschön aufregen. Dabei kannte sie ihn nun schon so viele Jahre und sollte wissen, dass er es doch nie böse meinte. Nun ja, was für ihn erst wenige Jahre waren, waren für sie als Q bereits Jahrhunderte. Diesmal allerdings hatte sie sich besonders aufgeregt. Ob er diesmal vielleicht doch zu weit gegangen war?
In diesem Moment hörte er aus dem Nebenzimmer einen Schrei, der sehr verdächtig nach Larissa klang. Im nächsten Moment spürte er, wie ihm etwas an den Kopf knallte und es gleichzeitig auf dem Schreibtisch polterte. „Autsch!”, rief er aus. „Was war DAS denn?!” Schon stürmte eine ziemlich empörte Larissa ins Zimmer: „Schatz, züchtige deine Q, ich hab gerade mit meiner Mutter telefoniert, als das Telefon sich plötzlich in DAS hier verwandelte!” Ziemlich verblüfft starrte Julian nun zuerst auf das, was Larissa in der Hand hielt und dann auf das, was ihm an den Kopf geflogen war und nun auf dem Boden lag. „Cool!”, hörte man es aus dem Nebenzimmer jubeln. Im nächsten Augenblick stürmte eine begeisterte Patrizia zu ihren Eltern: „Mama, Papa, guckt mal, ein pinkfarbenes Plüschtelefon! Ist das Süß!”
Alarmiert sah Julian sich um und wirklich, auch sein Rucksack, in dem sich eigentlich sein Handy befinden sollte, wölbte sich verdächtig. Aber das war noch längst nicht alles. Überall in der ganzen Wohnung lagen pinkfarbene Plüschtelefone herum! Nur mit dem Unterschied, dass diese Telefone durchaus noch funktionstüchtig waren. „Was zum…?”, fragte Julian laut.. und dann brüllte er aus Leibeskräften „JENNY!!!!” Das konnte nur SIE angerichtet haben! Er wusste ganz genau, dass sie das hören würde. Heutzutage brauchten sie zum Reden kein Telefon mehr, aber früher einmal war das ein ewiges Problemthema gewesen. Und genau deshalb war ihm sofort klar, dass die nur von ihr kommen konnten.
Im nächsten Augenblick standen Jenny und Q auch schon im Zimmer. Q sah sich um und es fiel ihm sichtlich schwer, nicht laut loszulachen. „Oha, da hast du ja ganze Arbeit geleistet”, meinte er, an Jenny gewandt. „Scheint so”, erwiderte diese sehr kleinlaut. Dann wandte sie sich an Larissa und Julian: „Tut mir leid, das war so nicht geplant, ich wollte euch keinen Ärger machen.” Julian ging auf seine Freundin zu, nahm sie in den Arm und sagte: „Ach Jenny, ich habs doch gar nicht so gemeint, das weißt du doch. War ich diesmal wirklich so schlimm?” Jenny drückte ihn kurz, dann sagte sie leise: „Ja, ich weiß ja, aber diesmal wars einfach zuviel. Erst macht sich Sandro über Oma Q lustig, dann soll ich Trösterin spielen, weil Aldo nix besseres zu tun hatte, als sich auf eine Frau einzulassen, die sich dann als Sytania entpuppt, Carlos ist mitsamt Familie verschwunden, keiner weiß wohin.. und dann kommst auch noch du…” „Oh weh, das wusste ich nicht. Aber du kennst doch Sandro, der ist nun mal hin und wieder ein Frechtier”, tröstete er seine Freundin.
„Tja, und ihren Frust hat sie dann in einem Wutausbruch an unserem schönen, alten Telefon ausgelassen, das wir von hier als Dekoration mitgenommen hatten. Sie hat das mit solcher Wut gegen die Wand geschleudert, dass das schöne Teil in tausend Teile zersprungen ist, das ganze muss sich dann wohl hierher übertragen haben.”, fügte Q hinzu.
Während Q‘s Ausführungen hatten es sich alle in der Küche gemütlich gemacht und tranken Tee. Nach dem Schrecken machte sich sichtlich die Erleichterung breit. Bevor aber Jenny den angerichteten Schaden wieder gutmachen konnte, zupfte die kleine Patrizia an ihrem Ärmel und bat ganz leise: „Tante Jenny, darf ich mein Plüschtelefon bitte behalten?” „Aber sicher doch! Kein Problem.”, antwortete Jenny liebevoll lächelnd ihrer kleinen Wahlnichte. Dann ließ sie schnell alle überflüssigen Telefone verschwinden und die tatsächlich vorhandenen wurden wieder zu dem, was sie vorher waren.
Kurz darauf verabschiedeten sich die beiden Q wieder von ihren Freunden. Bevor sie verschwanden, wandte sich Q noch einmal an Julian: „Tja, mein Lieber, quäle nie eine Q zum Scherz..” „…sonst fliegen Telefone tief, ich weiß!”, ergänzte dieser grinsend.
ENDE
Jenny Rößler, Februar 2011